Mit meiner Stimme
Biografiearbeit Fachtagung in Kassel
Fachtagung am 15. + 16. Februar 2025 in Kassel
Systemisches Institut Mitte SYIM, in Kooperation mit der Universität Kassel

Mit meiner Stimme…
Erfolgreiche Fachtagung Systemische Biografiearbeit in Kassel
120 Teilnehmende
Wie wird bislang Unerhörtes erzählbar? Und ist dieser Erzählraum nicht vielmehr ein Spielraum, in dem Zuhören und Erzählen einen gemeinsamen Resonanzraum bilden? Schließlich: Wie kann Biografiearbeit psychosozialen Fachkräften nahegebracht werden und einen größeren Stellenwert in der gesellschaftlichen Wahrnehmung bekommen?
Grundlegende Themen rund um die Kraft des Erinnerns und des begleiteten Selbstausdrucks wurden bei der Fachtagung Systemische Biografiearbeit am 15./16. Februar 2025 in Kassel verhandelt. Veranstalter war das Systemische Institut Mitte SYIM in Kooperation mit der Uni Kassel.
120 Praktiker*innen, Wissenschaftler*innen und Interessierte aus dem deutschsprachigen Raum fanden sich ein, um über Inhalte und Bedingungen von Biografiearbeit zu sprechen. In Vorträgen, Workshops und auf einem Biografischen Marktplatz wurde ein dichtes Programm geboten, das Raum für Auseinandersetzung und neue Ideen bot sowie die Möglichkeit, sich zu vernetzen.
„Lässt sich die Vergangenheit reparieren?“, mit dieser Frage eröffnete die Kulturwissenschaftlerin Dr. Aleida Assmann (Konstanz) die thematische Auseinandersetzung mit hochaktuellen Gedanken in einer politisch aufgeladenen Zeit. Assmann, gemeinsam mit ihrem Mann Jan Assmann 2018 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet, ist für die Biografiearbeit durch ihre Theorie der Gedächtnisse eine wichtige Grundlagengeberin. In ihrem Vortrag zeigte sie die langen Zeitläufe und Bedingungen auf, die zur Verarbeitung – sowohl von persönlichen als auch gesellschaftlichen – Verletzungen und Traumata notwendig sind.
Mag. Evelyn Niel-Dolzer (Wien) lud in ihrem Vortrag „Sich erzählen lassen – Der Erzählraum als Spielraum“ in die Sphäre der Kommunikation ein. Erzählen und Zuhören sind als ein gemeinsamer dynamischer Prozess zu verstehen, in dem sich beide gleichermaßen als Akteure gegenseitig hervorbringen und transformieren. Sprechen macht mit Zuhören Sinn, und erst Hören ermöglicht Sprechen. Im Erzählraum als Spiel-Raum können Kreativität und Spontaneität gedeihen, was zu einer tiefen Verbindung und einem Austausch von Erfahrungen führt.
Herta Schindler (Kassel), Autorin des Buchs „Sich selbst beheimaten – Grundlagen systemischer Biografiearbeit“, schlug mit ihrem Vortrag „Das Unerhörte erzählen“ einen Bogen zwischen individueller Biografie und Gesellschaft: Biografiearbeit stärkt die Demokratie, weil sie Mehrstimmigkeit fördert und die Unterschiedlichkeit menschlicher Erfahrungen würdigt.
In ihrem „Plädoyer für Biografiearbeit in Ausbildung und Berufsgestaltung psychosozialer Fachkräfte“ legte Dr. Constanze Koslowski (Oldenburg) die Notwendigkeit dar, sich mit der eigenen Biografie auseinanderzusetzen, um professionell handeln zu können.
In acht, thematisch breit gestreuten Workshops bestand die Gelegenheit, sich mit konkreten Inhalten zu beschäftigen. Themen waren etwa Methoden biografischen Lernens, die Bedeutung von Biografiearbeit in der Arbeit mit Pflegekindern, das „Lebenshaus“ als Konzept zur Bearbeitung der individuellen Biografie, die Bibel als Deutungsraum für Geschichten und Recherche als Mittel um Licht ins Dunkel zu bringen. Das eigene Ausdruckspotenzial konnte man in einem Stimm-Workshop stärken.
Der Biografische Marktplatz am 16. Februar ermöglichte Einblick in fünf biografische Projekte, die mit künstlerischen Mitteln Zugang zu familien- und lebensgeschichtlichen Themen eröffneten: eine Fotoporträt-Ausstellung, die Lesung aus einer Romanbiografie, ein Video mit Interview mit Frauen im Alter von 10 bis 100 Jahren, ein Audio-Walk über das Überleben einer jüdischen Urgroßmutter in Nazi-Deutschland und der Umgang mit den geerbten Eheringen der Großeltern.
Das Fazit am Ende der Tagung fiel durchweg positiv aus: erfüllte, zufriedene Gesichter.
Aleida Assmann hält Auftaktvortrag:
„Lässt sich die Vergangenheit reparieren?“
Herzliche Einladung zur Auftakt-Veranstaltung unserer Fachtagung „Systemische Biografiearbeit“.
Wir freuen uns sehr, dass Dr. Aleida Assmann im Kontext unserer Tagung spricht. Ihr Thema „Lässt sich die Vergangenheit reparieren?“
Ihr Vortrag am Freitag, 14. Februar, 19 Uhr in der Uni Kassel ist kostenfrei und öffentlich, das heißt alle Interessierten sind willkommen.

Lässt sich die Vergangenheit reparieren – das ist eine bewegende Frage in Bezug auf die eigene Lebensgeschichte, die Familiengeschichte und für Gesellschaften.
„Die Forschungen der Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und ihres Mannes Jan Assmann (Ägyptologe) zum kulturellen Gedächtnis bilden eine Grundlage des von mir entwickelten Ansatzes der Systemischen Biografiearbeit“, so Herta Schindler.
Aleida Assmann wurde 2018 gemeinsam mit ihrem Mann Jan Assmann mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Ihr neuestes Buch „Gemeinsinn“ ist 2024 erschienen. Es beschäftigt sich mit der Frage, was Demokratien gefährdet und wie wir sie schützen können.
Wann: 14. Februar, 19 Uhr
Wo: Uni Kassel, Campus Center, Hörsaal 3, Raum 1135, Moritzstraße 18, 34127 Kassel.
Der Eintritt ist frei.

“Ich lade Sie herzlich zu unserer Fachtagung Systemische Biografiearbeit ein, mit Referent*innen und Workshopleiter*innen aus Wien, Duisburg, Dresden, Erfurt, Hannover, Köln, Berlin und Kassel, die in vielfältigen Arbeitsfeldern theoretisch und praktisch tätig sind.”
Über die Fachtagung
Wir Fachkräfte in der psychosozialen Arbeit sind mit Menschen und deren Lebensgeschichte vielfältig konfrontiert. Im sozialen Raum finden deren Erfahrungen oft wenig Gehör und Wertschätzung. Klienten zu unterstützen, ihr eigenes Erleben sinngebend auszudrücken und erzählbar zu machen, gehört deshalb zum ressourcenorientierten Arbeiten. Systemische Biografiearbeit begleitet diese Prozesse kompetent und vielfältig. Gehör finden, Resonanz erleben und Ausdrucksmöglichkeiten entwickeln, bilden einen Dreiklang, der in die Zukunft hineinwirkt. Die so gewonnene Ausdrucksfähigkeit erweist sich auf der persönlichen Ebene als stärkend und im gesellschaftlichen Raum als öffnend. Erfahrungen des Gewordenseins stimmig zum Ausdruck zu bringen, ist damit im Ansatz ein sowohl heilsamer als auch demokratischer Prozess.
Im Sinne von gemeinsam geteilter menschlicher Erfahrung gelten diese Prozesse gleichfalls für die Fachkräfte selbst. Biografisches Arbeiten erweist sich als empowernd und belebend. Und: Die Fähigkeit zur biografischen Selbstreflexion ist eine professionelle Kompetenz.
Die Tagung richtet sich an Fachkräfte, die mit Menschen und deren Lebensgeschichten arbeiten, z.B. in der Familienhilfe oder in der Kinder- und Jugendarbeit; sie richtet sich an Therapeut*innen und Berater*innen, Pflegeeltern und Coach*innen, Lehrer*innen und Studierende – und an alle, die Biografiearbeit erkunden wollen.
Die Tagung bietet aktuelle theoretische Einblicke, methodische Impulse und Gelegenheit zum kollegialen Austausch. Fachspezifische Netzwerke können belebt und geknüpft werden. Sie schafft einen Rahmen zur gemeinsamen Weiterentwicklung des biografischen Ansatzes.
Die Tagung wird gestaltet von Expert*innen aus Theorie und Praxis der Systemischen Biografiearbeit. Am Samstag finden Fachvorträge und Workshops statt. Am Sonntag geben Fachkräfte beim biografischen Marktplatz Einblicke in Inhalte und Gestaltungsmöglichkeiten biografischer Projekte.
Die Tagung findet statt am 15.+16. Februar 2025 in Kassel. Veranstaltungsorte sind die Universität Kassel (Samstag) und das Systemische Institut Mitte SYIM (Sonntag).
Die Tagung ist akkreditiert vom Land Hessen als Fortbildung für Lehrer*innen (1 Tag).
Wir freuen uns auf den gemeinsamen Austausch.
Come together
Tag 1: Fachvorträge und Workshops
Samstag, 15. Februar 2025
09:00 Uhr
Gießhaus der Uni Kassel
Mönchebergstraße/Kurt-Wolters-Straße
Download als PDF
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Programm am Samstag
ab 09:00 Uhr
Mag. Evelyn Niel-Dolzer, MA: Sich erzählen lassen – Der Erzählraum als Spiel-Raum
Herta Schindler: Das Unerhörte erzählen
Workshops 11:30 – 13:00 Uhr
Dr. Constanze Koslowski
Methoden, Chancen, Effekte biografischen Lernens – eine vielschichtige Begegnung!
WS 1.1
Biografiearbeit ohne viele Worte – mit Menschen untersch. Sprachen
WS 1.2
Katharina Prünte
Biografisches Schreiben aus transgenerationaler Perspektive
WS 1.3
Holger Schindler
Erkunden, um zu wissen – Recherche in der Biografiearbeit
WS 1.4
Prof. Dr. Ilse Müllner
Bibel und Biografie – Geschichte in Geschichten deuten
WS 1.5
ab 14:45 Uhr
Thomas Schimanski: „Einstimmungsfreuden“ – Stimm-Arbeit
Dr. Constanze Koslowski: Plädoyer für Biografiearbeit in Ausbildung und Berufsgestaltung psychosozialer Fachkräfte
Workshops 16:00 – 17:30 Uhr
Verstummen – Schweigen – Sprechen.
WS 2.1
Im „Lebenshaus“ – der individuellen Biografie begegnen
WS 2.2
Mit meiner Stimme sprechen – das eigene Ausdruckspotenzial stärken
WS 2.3
Erkunden, um zu wissen – Recherche in der Biografiearbeit
WS 2.4
Prof. Dr. Ilse Müllner
Bibel und Biografie – Geschichte in Geschichten deuten
WS 2.5
Sonja Briggl
Die Bedeutung von Biografiearbeit in der Arbeit mit Pflegekindern
WS 2.6
17:45 – 18:15 Uhr
Abschluss
Tag 2: Biografischer Marktplatz
Sonntag, 16. Februar 2025
10:00 Uhr
SYIM-Räume in der Fabrik Chasalla
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Programm am Sonntag
REFERENT*IN
THEMA
Herta Schindler
Begrüßung
ab 10:00 Uhr / Studio
Joscha Bongard / Herta Schindler
“Im Antlitz der Zeit – Gesichter im Spiegel der Biografie”.
Einführung in die Porträt-Ausstellung
Gertrud Debuschewitz
“Schmuckkästchen will Heimat finden”.
Eine PowerPoint-Erzählung
Joana Lieball
“Als Jüdin die NS-Zeit überlebt – die Urenkelin recherchiert”.
Audio-Walk
Katharina Prünte
“Käthe – Überall ist Fremde”. Romanbiografie.
Lesung der Autorin
Stefanie Missbach
„10 Frauen, 10 Fragen und fast 100 Jahre“.
Interviews / Textbuch und Videofilm
Herta Schindler
ab 13:00 Uhr / Studio